Das neue überwachungsbedürftige Anlagengesetz (ÜAnlG)

Betroffenheit

Betreiber von Anlagen, von denen beim Betrieb erhebliche Risiken für die Sicherheit und die Gesundheit insbesondere Beschäftigter ausgehen können und die deshalb in einer künftigen Verordnung in einem Katalog überwachungsbedürftiger Anlagen gelistet werden; zugelassene Überwachungsstellen; Fachkräfte für Arbeitssicherheit; Instandhaltung; Anlagensicherheit; Nutzer von Instandhaltungssoftware

Nachricht

Überwachungsbedürftige Anlage oder nicht überwachungsbedürftige Anlage? Das ist hier die Frage. Eine eindeutige Antwort gibt der Gesetzgeber (mit Stand von heute) nicht und wird er auch künftig nicht abschließend geben. Mit einer noch zu veröffentlichenden neuen Verordnung wird zum neuen ÜAnlG ein (hoffentlich klarer und konkreter) Katalog mit überwachungsbedürftigen Anlagen eingeführt. Dieser wird dann kontinuierlich erweitert werden.

Bisher galten im Produktsicherheitsgesetz folgende Anlagen als überwachungsbedürftig:

  • Dampfkesselanlagen,
  • Druckbehälteranlagen außer Dampfkesseln,
  • Anlagen zur Abfüllung von verdichteten, verflüssigten oder unter Druck gelösten Gasen,
  • Leitungen unter innerem Überdruck für brennbare, ätzende oder giftige Gase, Dämpfe oder Flüssigkeiten,
  • Aufzugsanlagen,
  • Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen,
  • Getränkeschankanlagen und Anlagen zur Herstellung kohlensaurer Getränke,
  • Acetylenanlagen und Calciumcarbidlager,
  • Anlagen zur Lagerung, Abfüllung und Beförderung von brennbaren Flüssigkeiten.

Anlässlich des neuen Produktsicherheitsrechts werden die Regelungen zu den überwachungsbedürftigen Anlagen dort herausgelöst und im Sinne der Klarheit in ein eigenständiges Recht überführt. Vermutlich hat die Praxis auch gezeigt, dass die Verteilung der Regelungen auf das ProdSG und das Arbeitsschutzgesetz mit der Betriebssicherheitsverordnung nicht eindeutig war. Bestimmt kommt sogar der Worst Case – eine überwachungsbedürftige Anlage ist vom Unternehmen nicht als solche eingestuft – gar nicht so selten vor. Diese Ordnungswidrigkeit wird nach ÜAnlG übrigens mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro geahndet und kann bei auffälligen Wiederholungen oder gar nachgewiesenem Vorsatz eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen. Anfällig für eine solche fehlende Einstufung und Berücksichtigung als „überwachungsbedürftig“ sind insbesondere:

  • Leitungen unter innerem Überdruck für brennbare, ätzende oder giftige Gase, Dämpfe oder Flüssigkeiten,
  • Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen und
  • Anlagen zur Lagerung, Abfüllung und Beförderung von brennbaren Flüssigkeiten.

Die Anfälligkeiten treten auf, weil

  • in Gefährdungsbeurteilungen oftmals ein Beurteilungspunkt für die „Prüfung/Kontrolle“ der verwendeten Arbeitsmittel bzw. Anlagen fehlt und die Instandhaltungsabteilungen nicht mit den Betreibern zusammenarbeiten, um u.a. Prüffristen gemeinsam in der Gefährdungsbeurteilung festzulegen
  • in Gefahrstoffkatastern nicht die Einsatzorte (z.B. Lagerbereiche, Produktionsanlage) zu den Gefahrstoffen gepflegt werden und
  • die verwendete Instandhaltungssoftware keine Auswertung bietet, welche Arbeitsmittel/Anlagen als überwachungsbedürftig einzustufen sind.

Ansonsten werden im ÜAnlG die Prüfungsart „Nachprüfung“ und neue Pflichten sowohl für die zugelassenen Überwachungsstellen als auch für die zuständigen Behörden (vor allem Pflicht zur Einrichtung von Anlagenkatastern) eingeführt. Bisherige Prüfpflichten, die im Wesentlichen sowieso in der BetrSichV geregelt sind, bleiben bestehen und werden vorerst nicht verschärft (dies kann sich allerdings durch neue Verordnungen zum ÜAnlG noch ändern).

Wenn die zugelassene Überwachungsstelle bei der Prüfung einer überwachungsbedürftigen Anlage einen Mangel festgestellt hat, durch den Beschäftigte oder andere Personen gefährdet werden (gefährlicher Mangel), so hat sie unverzüglich

  • die zuständige Behörde zu benachrichtigen und ihr die entsprechende Prüfbescheinigung zu übermitteln,
  • den Betreiber darüber zu informieren, dass die überwachungsbedürftige Anlage nicht betrieben werden darf und in geeigneter Weise entsprechend zu kennzeichnen ist, und
  • den Betreiber darauf hinzuweisen, dass die Anlage erst wieder in Betrieb genommen werden darf, wenn sie in einer Nachprüfung festgestellt hat, dass der gefährliche Mangel beseitigt ist.

Die Länder richten zur Erfassung der überwachungsbedürftigen Anlagen, die ihrer Aufsicht unterliegen, eine Datei führende Stelle (Anlagenkataster) ein. Die zugelassenen Überwachungsstellen haben dem Anlagenkataster folgende Daten über die von ihnen geprüften überwachungsbedürftigen Anlagen zu übermitteln:

  • Angaben zum Standort, zum Namen und der Kontaktanschrift des Betreibers sowie weitere Angaben zur eindeutigen Identifikation und zur sicherheitstechnischen Beschreibung der Anlage,
  • nach jeder Prüfung unverzüglich Daten, die Aufschluss über den Prüfstatus der Anlagen geben.

Das Anlagenkataster ist befugt, die übermittelten Daten zu erheben, zu speichern und zu verwenden. Die zugelassenen Überwachungsstellen haben die Kosten für das Anlagenkataster zu tragen.

Handlungsempfehlung

Erfüllt Ihre Instandhaltungssoftware in Schnittstelle zu den weiteren Katastern die Voraussetzungen, rechtskonform Anlagen und Arbeitsmittel als überwachungsbedürftig einzustufen? Die folgenden Bedingungen sollten gegeben sein:

  • ein Arbeitsmittel-/Anlagenkataster wird gepflegt
  • ein Gefahrstoffkataster wird gepflegt
  • ein Rechtskataster wird gepflegt, aus dem u.a. gesetzliche Prüfpflichten für Arbeitsmittel und Anlagen hervorgehen und Änderungen aktiv gemeldet werden
  • das Gefahrstoffkataster ist mit dem Arbeitsmittel-/Anlagenkataster (Einsatzorte und -mengen) verknüpft
  • das Arbeitsmittel-/Anlagenkataster, das Rechtskataster und das Gefahrstoffkataster sind Informationsgrundlage für die Gefährdungsbeurteilungen; dementsprechend wird jedes Arbeitsmittel und jeder Gefahrstoff mit mindestens einer abdeckenden Gefährdungsbeurteilung verknüpft
  • im Rahmen der Gefährdungsbeurteilungen diskutieren Verantwortliche der Instandhaltung und Verantwortliche des Betriebs (Produktion, Fertigung, Labor, Lager etc.) die erforderlichen Prüfungen/Kontrollen (Prüfungsarten, Fristen, Qualifikation der Prüfer etc.) der verwendeten Arbeitsmittel
  • das Arbeitsmittel-/Anlagenkataster verweist oder verknüpft zu jedem Arbeitsmittel auf ein Prüfbuch in dem sämtliche Vorgänge/Ereignisse sowie Prüfungen und Kontrollen im Zusammenhang mit dem Arbeitsmittel dokumentiert werden
  • vor allem bestimmte Änderungen im Rechtskataster (neue Prüfpflichten) und im Gefahrstoffkataster (Neueinstufung von Chemikalien) stoßen eine Prüfung an, ob Gefährdungsbeurteilungen fortgeschrieben werden müssen.

Sind bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt, bestimmen Sie Zuständige und Deadlines für die Etablierung der noch fehlenden Grund(!)strukturen.

Verweisen Sie nicht automatisch auf Ihre genutzte Instandhaltungssoftware. Hinterfragen Sie diese. Auf welcher Basis wurden hier z.B. die Prüffristen festgelegt? Ist diese Basis auch für Außenstehende nachvollziehbar dokumentiert?

Verfolgen Sie die Konkretisierung des Gesetzes über überwachungsbedürftige Anlagen weiter. Es wird mindestens eine Verordnung dazu verkündet werden müssen, die den Katalog überwachungsbedürftiger Anlagen einführt. eco COMPLIANCE wird Sie dabei natürlich unterstützen.